Geboren 1950, studierte Romanistik und Germanistik, arbeitete als Lehrerin und während der letzten zehn Jahre ihrer Berufstätigkeit in der Lehrerausbildung. Sie veröffentlichte pädagogische Bücher bei Klett und Cornelsen und lebt mit ihrem Mann, Hans Brumsack, in Oldenburg, hat zwei Kinder und vier Enkelkinder. Die Autorin ist die Schwiegertochter von Julius Brumsack. Sie kannte ihn seit ihrem sechzehnten Lebensjahr.
© Foto: Lea Brumsack
DER UNBEUGSAME ist eine jüdische Geschichte von Widerstand und Resilienz, vom Mitmachen und Wegschauen der anderen. Und sie ist vor dem Hintergrund des wiedererstarkenden Antisemitismus von bedrückender Aktualität.
Dem 24-jährigen Julius Brumsack gelingt 1939 unter abenteuerlichen Umständen die Flucht nach England. Er meldet sich zur englischen Armee und kämpft ab Frühjahr 1940 gegen die Deutschen. Nach dem Krieg kehrt er als britischer Besatzungssoldat nach Nordwestdeutschland zurück und versucht in seinem Heimatort herauszufinden, was seiner Familie widerfahren ist. Er beginnt eine jahrzehntelange, kräftezehrende Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit; er trifft auf Widerstände quer durch die Bevölkerung und bei sämtlichen Behörden, aber er stößt auch an seine eigenen Grenzen.
Seine Schwiegertochter Elfriede Brumsack legt einen sehr persönlichen und bewegenden Bericht über ein außergewöhnliches Leben vor. Ausgewählte private Briefe, Tagebücher, Aufzeichnungen sowie eine Vielzahl von Dokumenten über Prozesse zur Rückerstattung und Entschädigung, Korrespondenzen mit Tätern, Zeugen und Institutionen bilden das Fundament der Geschichte.
Prolog
Am Heiligen Abend gab es ein Ritual, das wir über viele Jahre bis zu Julius’ Tod beibehielten: Nach dem Abendessen versammelte sich die Familie im kleinen Wohnzimmer um den Kamin und hörte Opa Juli zu, so nannten unsere Kinder den Großvater. Seine Geschichten gehörten zum Heiligen Abend wie der Weihnachtsbaum und die Krippe. Mit Maria, Josef, dem Jesuskind und dem Stern von Bethlehem über dem Stall. Julius’ Weihnachtsgeschichten verkündeten mehr Schrecken als Freude, sie handelten von Bobbie, dem Familienhund, der nicht ermordet worden war, im Gegensatz zu seinen Besitzern. Sie erzählten von der Reichspogromnacht in Hannover, in der Julius, im Gegensatz zu seinem Cousin Hans Leo, der Deportation ins KZ entkommen war, und sie berichteten vom Überleben in Schützengräben in Nordfrankreich. Eine dieser Geschichten hieß Denunziation. Es geschah an einem Vormittag im Jahre 1936, Julius lebte damals schon seit mehr als sieben Jahren bei seinen Verwandten in Sehnde. Plötzlich seien mehrere Polizeibeamte in ihrem Geschäft aufgetaucht, so erzählte er, die Angestellten wurden nach Hause geschickt und Tante und Onkel in ihr Schlafzimmer getrieben, der Schlüssel von außen umgedreht, das Geschäft geschlossen, das Haus vom Keller bis zum Dachboden durchsucht. Die Razzia galt ihm. Julius’ Leica-Kleinbildkamera wurde beschlagnahmt, außerdem sämtliche Briefe und Fotos. Die Beamten führten ihn ins Gemeindebüro zum Verhör. Dort wartete bereits der Denunziant auf ihn, ein ortsbekannter SS-Mann, ebenso zwei Gestapo-Leute. Der Vorwurf: Spionage für die Russen. Julius musste lachen, in seiner Stimme lag Spott, wenn er die Fortsetzung erzählte. „Spionage? Für die Russen?“, fragte unser Sohn Moritz ungläubig. „Ja, genau.“…
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